Mutti, Papa und die Fundis

oder wie man statt der Person, die etwas bewirkt auch immer nur das Schlechte sehen will

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von „Everybody´s Darling“ zur „bösen Mutter der Nation“ geworden. Nachdem sie im Herbst letzten Jahres über 1,2 Millionen Flüchtlinge in unser Land gelassen hat, bzw. maßgeblich dazu beigetragen hat, waren es vor allem die Linken und die Grünen (oder um es im Jargon der Neurechten zu formulieren: „den links-grün-versifften Gutmenschen und Bahnhofsklatschern“), die wahre Lobhymnen auf „Mutti Merkel“ angestimmt haben.

Seit dem Türkeideal die böse Mutter der Nation

Erst langsam, dann schlagartig änderte sich die Stimmung. Auch wenn die Linken, besonders die Grünen nicht gerade als „Wendehälse“ bekannt sind, war spätestens nach dem „Flüchtlingsdeal“ aus dem Fels in der Brandung ein vermeintlich sinkender Stein geworden.

Besonders auffällig wird dies, wenn man als Seitenbetreiber oder Autor in den sozialen Netzwerken, allen voran Facebook einen Beitrag, ein Meme oder ein Zitat von Frau Merkel veröffentlicht. Ein Shitstorm jagt den nächsten, weshalb man „diese Person“ noch positiv oder „unreflektiert“ erwähnt bzw. zitiert.

Ein wenig mehr ‚Realo‘, ein bisschen weniger ‚Fundi‘ ist vonnöten

Bei aller Kritik, ob nun zu Recht oder nicht, stellt sich hier die Frage, warum man zuallererst das Schlechte und nicht zuerst das Gute sieht.

Es geht hierbei nicht um die Frage, ob man die Entscheidungen der Kanzlerin gutheißt oder gar verurteilt. Es geht um den Kontext: 1,2 Millionen Flüchtlinge wären nicht bei uns, wenn Frau Merkel dies nicht zugelassen hätte! Dies sollte man bei aller Kritik auch (so ganz nebenbei) mit beachten. Die Tatsache, dass nahezu alle anderen Staaten bereits im vergangenen Jahr, spätestens aber seit dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien die Grenzen dicht gemacht haben, die Tatsache, dass Frau Merkel keine absolutistische Herrscherin ist, sondern eine mit begrenzten Machtbefugnissen ausgestattete Regierungschefin, die nicht nur durch die umliegenden Staaten, sondern auch noch innerhalb ihrer eigenen Partei zunehmend unter Druck gerät und durch Sachzwänge in ihrer Handlungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt wird, sollte uns schon nachdenklich stimmen.

Der Papst und der böse Katholizismus

Ähnlich wie bei unserer Bundeskanzlerin verhält es sich bei Papst Franziskus, wenn auch mehr grundsätzlicher Art. Sobald man ein Zitat oder eine positiv dargestellten Artikel über den Papst veröffentlicht, erfolgt ein Aufschrei über den Katholizismus. Hexenverbrennung, Inquisition, mit Blut und Schwert den Glauben in die Welt getragen, Zölibat, pädophile Priester, gegen Abtreibung, Pille, Empfängnisverhütung, unermessliche Reichtümer, und, und, und.

Auch ein Atheist kann und darf den Papst würdigen

Hand aufs Herz: Haben wir schon einmal einen Papst erlebt, der einmal irgend etwas sagte oder tat, das selbst ein Atheist gut heißen oder gar bewundern konnte? Haben wir es je erlebt, dass es vor Franziskus einen Papst gab, der selbst seine eigene „Institution“ Vatikan samt seiner Würdenträger kritisiert? Einen Papst, der selbst, für die Möglichkeiten, die er hat, ein klein wenig an den Mauern, an den uralten Dogmen rüttelt?

Der böse, böse Katholizismus

Nicht nur aus Sicht eines Atheisten, selbst aus Sicht eines gläubigen Humanisten mögen alle erwähnten Vorwürfe, welche sich auf den Katholizismus beziehen, zutreffen. Aber die entscheidende Frage ist doch: muss man das alles auf den Papst beziehen?

Den Katholizismus hat es vor diesem Papst gegeben, es wird ihn auch nach diesem Papst geben. Päpste hat es schon vor Franziskus gegeben, es wird sie auch nach ihm geben!

Warum nicht einmal auf die Metaebene gehen

Sei es die Bundeskanzlerin, sei es der Papst oder sonst wer: warum kann man nicht einfach einmal die Person als solches sehen? Wo kommt die Person her, wo ist sie aufgewachsen, aus welchem sozialen Umfeld kommt sie, was für eine Funktion hat diese Person?

Warum nicht einmal auf die Metaebene gehen und sich in diese Person hineinversetzen, was diese Person aus ihrer Situation und Sichtweise heraus macht?

Man muss sich nicht mit den Personen die Ideale und Meinungen teilen, um sie zu achten

Viele von uns , wenn nicht die meisten, werden mit einer Kanzlerin oder einem Papst nicht tauschen wollen, weil sie ein völlig anderes Weltbild, andere Wertvorstellungen haben oder schlicht und einfach ein völlig anderes Leben führen wollen. Nur, geht es darum?

Geht es darum, dass man all seine individuellen Weltanschauungen, Ideologien an einer Person auslassen und hineinimplizieren muss?

Um etwas erfolgreich zu bekämpfen, muss man zusammenstehen

Wir kämpfen für eine Sache. Und wenn man eine Person sieht, etwas über sie liest, etc., diese Person etwas tolles sagt oder tut, wäre es auch für einen Fundamentalisten, Idealisten angebracht, als erstes einmal hinzuschauen:

Wenn diese Person als solches für einen nicht tragbar ist, sollte man sie auch nicht unreflektiert zitieren oder in einem positiven Licht erscheinen lassen. Aber alles „Drumherum“ darf man, um etwas zu erreichen, auch einmal ein wenig toleranter sehen und sich in die Person hineinversetzend, aus ihrer Sichtweise betrachtend, einen gemeinsamen Nenner finden.

Wenn man einmal Frau Merkel mit ihren Vorgängern vergleicht, wenn man einmal den Papst mit seinen Vorgängern vergleicht, sollte man schon kurz in sich kehren, das positive dem negativen vorziehen und seinen Fundamentalismus, seinen Idealismus für ein paar Minuten beiseite legen.

Wenn wir alle, mit unseren Idealen, fundamentalistische Überzeugungstäter werden und alles, was außerhalb unserer eigenen Vorstellungen ist, nicht mehr akzeptieren können, dann werden wir Rassismus, Faschismus, Antisemitismus, Homophobie, die NPD, AFD, FPÖ, Pegida, etc. niemals bekämpfen können!

Hier geht es zum Video dieses Beitrags:

https://www.youtube.com/watch?v=6qcGmsShzsM&feature=youtu.be

 

 

 

 

 

 

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