Jürgen Todenhöfer – der Erdoğanversteher

Oder wie man einen Demagogen und Despoten schönreden kann

Die bösen Amerikaner – der gute Erdoğan: Ohne auf die derzeitigen massiven Menschenrechtsverletzungen des Erdoğan-Regimes einzugehen, schwadroniert Jürgen Todenhöfer in einem kürzlich auf seiner Facebookseite veröffentlichten Kommentar über die Menschenrechtsverletzungen der USA, verquirlt den RAF-Terror der 70er Jahre mit dem Putschversuch gegen Erdoğan im Juli dieses Jahres.

Er spricht von „unserem Bündnis-Partner Türkei“, dass man in schwierigen Phasen Freunde brauche, die einem zur Seite stehen, und dass die Türkei uns doch in der „Flüchtlingskrise“ geholfen habe.

„Liebe Freunde, es ist nicht ok, wie wir unseren Bündnispartner Türkei behandeln. Das Land macht schwierige Zeiten durch. Gerade dann braucht man Freunde am dringendsten. Haben uns die Türken während der Flüchtlingskrise nicht auch geholfen? Die Türkei könnte mit der westlichen Kritik leben, wenn die gleichen Maßstäbe auch an andere Länder angelegt würden. Doch Fairness hat die Türkei von ihren westlichen Dauer-Kritikern nicht zu erwarten. Die wollten sie ja auch nie wirklich in die EU aufnehmen. Der anti-türkische Rassismus sitzt zu tief. Heute hat das EU-Parlament sogar die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ‚eingefroren‘. Verhandlungen mit anderen NATO-Partnern wie den USA würde die EU nie ‚einfrieren‘. Trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtswidriger Angriffskriege der USA. ‚Radfahrer‘ nennt man Leute, die nach oben buckeln und nach unten treten.“ -JT

Dass die derzeitigen Massenentlassungen, Inhaftierungen Oppositioneller, die Aushebelung der Gewaltenteilung und die stetige Wandlung von einer Demokratie zur Diktatur, die Abschaffung der Pressefreiheit, die geplante Wiedereinführung der Todesstrafe derzeit für massive Empörung sorgen, wird von Todenhöfer mal eben mit „anti-türkischem Rassismus“ gleichgesetzt.

Mit seinem latenten Antiamerikanismus mixt Jürgen Todenhöfer einen neuen „Querfront-Verschwörungs-Cocktail“, indem er aus dem historischem Kontext herausgepickte Sachverhalte vermengt, die sich weder inhaltlich noch von ihrer Intensität vergleichen lassen.
Todenhöfer verschwurbelt, verdreht und verquirlt vorsätzlich und gewollt die NATO mit der EU, er setzt Dinge gleich, die man nicht gleichsetzen kann. Einmal abgesehen davon, dass die EU wohl kaum mit den USA über einen EU-Beitritt verhandeln würde:  Die aktuellen Ereignisse, die sich diese Tage, Wochen und Monate in der Türkei abspielen, derart zu relativieren, indem Todenhöfer allgemein zu kritisierende Menschenrechtsverletzungen in den USA zum Vergleich heranzieht, ist skandalös.

Wie Jürgen Todenhöfer die massiven Menschenrechtsverletzungen des Erdoğan-Regimes mit der RAF-Bekämpfung der 70er Jahre auf eine Stufe stellt, die Maßnahmen der damaligen Schmidt-Regierung mit der eines Recep Tayyip Erdoğan gleichstellt, unterschwellig Oppositionelle, Kurden, Kritiker mit der damaligen RAF auf eine Stufe stellt:

„Angeblicher Grund für die Verschärfung der Gangart des EU-Parlaments gegenüber der Türkei sind die harten Maßnahmen der türkischen Regierung nach dem Militärputsch im Juli. Doch die deutschen Kritiker der Türkei sollten sich bitte einmal den deutschen ‚Radikalenerlass‘ der 70er Jahre anschauen, der den RAF-Terror eindämmen sollte. Die RAF hatte in zwei Jahrzehnten über 30 Menschen ermordet. Unsere freiheitlich demokratische Grundordnung hat sie allerdings nie ernsthaft gefährdet. Trotzdem wurden damals 3,5 Millionen Personen überprüft und 11.000 Berufsverbotsverfahren sowie 2.200 Disziplinarverfahren eingeleitet. 1.500 Menschen wurde der Eintritt in den öffentlichen Dienst verwehrt oder sie wurden entlassen. In der Türkei starben beim Putsch des Militärs in einer Nacht über 250 Menschen. Das Schicksal der gesamten türkischen Republik stand auf des Messers Schneide. Dürfen wir Deutsche uns wirklich über die schockartige Reaktion der türkischen Regierung wundern? Dürfen wir die Gefahr einer Militärdiktatur in der Türkei nachträglich so verharmlosen? Wäre die Lage in der Türkei jetzt demokratischer, rechtsstaatlicher, wenn der Militärputsch erfolgreich gewesen wäre? Hätte Deutschland bei einem Militärputsch gelassener reagiert? Wir nennen uns doch eine ‚wehrhafte Demokratie‘.“ JT

Mit einer hypothetischen Frage und der ’nachträglich verharmlosten Gefahr‘ einer Militär-Diktatur relativiert und verharmlost Todenhöfer die sich anbahnende Partei-Diktatur eines Recep Tayyip Erdoğan!

Was wäre, wenn? – fragt Jürgen Todenhöfer.
Herr Todenhöfer sollte sich doch einmal mit den derzeitigen realen Zuständen in der Türkei befassen, statt mit hypothetischen Fragen Antiamerikanismus zu betreiben und einem Demagogen und Despoten in die Hände zu spielen:

unbenannthttp://www1.wdr.de/nachrichten/tuerkei-festnahme-kamer-100.html

 

„An jeder Ecke werden unsere Ausweise kontrolliert, der Zutritt zum Geschehen wird uns verweigert, Kollegen werden verhaftet. Inzwischen behindert man sogar den Zugang zum Internet.“ Hatice Kamer http://de.qantara.de/inhalt/repressionen-gegen-kurdische-medien-in-der-tuerkei-journalismus-im-ausnahmezustand

Das Schlusswort eines Erdoğan-Verstehers – oder wie man einen Demagogen und Despoten schönreden kann:

„In einer Demokratie ist faire Kritik immer legitim. Nicht legitim und nicht fair sind der Hass, die Hetze und der anti-türkische Rassismus, der in der westlichen Kritik an der Türkei mitschwingt. Und die pharisäerhafte Selbstgerechtigkeit der westlichen Kritiker, die der Türkei ständig signalisieren: ‚Wir wollen Euch nicht in der EU, aber Ihr habt Euch gefälligst an unsere Regeln zu halten.‘ Ich fürchte, dass wir die Türkei als Freund und Verbündeten verlieren werden. Dieses großartige Land mit seiner großen Vergangenheit und Zukunft. Und seinen tollen Menschen, auf die wir uns immer verlassen konnten. Anders als umgekehrt. Schade! Euer JT“ -JT

Fazit:

Die derzeitigen Entwicklungen und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei verharmlosend und relativierend, mit sattem Antiamerikanismus, der Verdrehung und Vermengung historischer Sachverhalte, mit dem Verschweigen und der Verharmlosung der aktuellen Geschehnisse in der Türkei, schlägt Jürgen Todenhöfer all den Opfern des Erdoğan-Regimes offen ins Gesicht.

Quellen:

https://www.facebook.com/JuergenTodenhoefer/posts/10154181479310838?pnref=story

http://www1.wdr.de/nachrichten/tuerkei-festnahme-kamer-100.html

http://de.qantara.de/inhalt/repressionen-gegen-kurdische-medien-in-der-tuerkei-journalismus-im-ausnahmezustand

 

 

 

 

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