Die couragierte Frau – Gerhard Schöne
Hakenkreuze, Nazisprüche,
Juden-, Türken-, Negerflüche
wischt und kratzt und schrubbt sie gründlich weg.
Wird belächelt und beleidigt,
angegriffen. Sie beseitigt
unbeeindruckt weiter diesen Dreck.
He, stell dir vor, du fährst S-Bahn. Da sagt ´ne Stimme ganz deutlich:
Der Sitz ist etwas lädiert. „Sie gucken wohl weg?
Du guckst durch dreckige Scheiben, Sie bleiben so ruhig?!“
mit Filzstift beschmiert. `ne Frau steht da und fragt weiter:
Die üblichen Sprüche: „Hat das hier niemand gesehn?
„Stoppt Tierversuche, nehmt Juden!“ Wolln sie sich daran gewöhnen?
„Ali go home“ und so´n Dreck. Lassen sie so was stehn?
Oder wolln wir´s wegwischen?“
Refr.:
Und dann greift sie in die Tasche,
reicht dir´n Lappen und ´ne Flasche
und holt einen scharfen Schaber raus.
Ihr putzt los, die Leute stieren,
fangen an zu diskutieren.
Schließlich sagt sie: “Danke!“ und steigt aus.
Die Frau, die du da erlebt hast, Sie kann nicht kapiern,
ist von Beruf Lehrerin. wie viele das schlucken.
Was andere schon übersehen, Und jeden Tag nach der Arbeit
das nimmt sie nicht hin rafft sie sich noch einmal auf
und machts wieder sauber. und inspiziert Häuserwände,
Die ganze geistige Scheiße, nimmt Gefahren in Kauf.
die junge Nazis verschmiern, Manchmal wird’s brenzlich.
die stinkt ihr doch zu gewaltig.
Refr.:
Hakenkreuze, Nazisprüche,
Juden-, Türken-, Negerflüche
wischt und kratzt und schrubbt sie gründlich weg.
Wird belächelt und beleidigt,
angegriffen. Sie beseitigt
unbeeindruckt weiter diesen Dreck.
Sie hört, das sei doch vergeblich, stün-ist er halbwegs heil
de morgen eh wieder dran, und nicht schon völlig versteinert.
ein Fall von Selbstüberschätzung …. Der wird´s zu Hause erzählen,
Doch sie glaubt daran, wird diskutieren bei Tisch.
dass es einen Sinn hat. Beim nächsten Hakenkreuz denkt er:
Denn wer sie sah auf dem Bahnhof, Ob ich es wegwisch?
wer mit ihr fuhr im Abteil, Oder stell ich mich scheintot?
fängt irgendwie an zu grübeln,
Refr.:
Danke, Gott, es gibt auf Erden
Menschen, die zum Anstoß werden,
die mich zwingend fragen: Bleib ich lau?
Oder wird ich endlich brennen,
mich mit Haut und Haar bekennen,
so wie diese couragierte Frau.
[von: Gerhard Schöne, Album: Seltsame Heilige, 1997]