Am 19.04.1943 zum Tode verurteilt: Willi Graf

Das Todesurteil gegen Mitglieder der „Weißen Rose“ am 19.04.1943

Am 19.04.1943:  Die Studenten Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Kurt Huber, bis zu seiner Verhaftung Professor für Musikwissenschaften und Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, werden wegen ihrer Mitgliedschaft bei der Widerstandsgruppe Weiße Rose vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt.

Im Namen des Deutschen Volkes – Protokoll

In der Strafsache gegen

  1. den Alexander Schmorell aus München, geboren am 16. September 1917 in Orenburg (Rußland),
  2. den Kurt Huber aus München, geboren am 24. Oktober l893 in Chur (Schweiz),
  3. den Wilhelm Graf aus München, geboren am 2.Januar 1915 in Kuchenheim,
  4. den Hans Hirzel aus Ulm, geboren am 30. Oktober 1924 in Untersteinbach (Stuttgart),
  5. die Susanne Hirzel aus Stuttgart, geboren am 7. August 1921 in Untersteinbach,
  6. den Franz Joseph Müller aus Ulm, geboren am 8. September 1924 in Ulm,
  7. den Heinrich Guter aus Ulm, geboren am 11.Januar 1925 in Ulm,
  8. den Eugen Grimminger aus Stuttgart, geboren am 29.JuIi 1892 in Crailsheim,
  9. den Dr. Heinrich Philipp Bollinger aus Freiburg, geboren am 23. April 1916 in Saarbrücken,
  10. den Helmut Karl Theodor August Bauer aus Freiburg, geboren am 19.Juni 1919 in Saarbrücken,
  11. den Dr. Falk Erich Walter Harnack aus Chemnitz, geboren am 2. März 1913 in Stuttgart,
  12. die Gisela Schertling aus München, geboren am 9. Februar 1922 in Pößneck/Thür.,
  13. die Katharina Schüddekopf aus München, geboren am 8. Februar 1916 in Magdeburg,
  14. die Traute Lafrenz aus München, geboren am 3. Mai 1919 in Hamburg,

zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft, wegen Feindbegünstigung u.a.,
hat der Volksgerichtshof, I. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 19. April 1943, an welcher teilgenommen haben als Richter:

Präsident des Volksgerichtshofs Dr. Freisler, Vorsitzer,
Landgerichtsdirektor Stier, SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS Breithaupt, SA-Gruppenführer Bunge,
SA-Gruppenführer und Staatssekretär Köglmaier,
als Vertreter des Oberreichsanwalts: Erster Staatsanwalt Bischoff,

für Recht erkannt:

Alexander Schmorell, Kurt Huber und Wilhelm Graf haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defaitistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt.

Sie werden deshalb mit dem Tode bestraft.

Ihre Bürgerrechte haben sie für immer verwirkt.

Eugen Grimminger hat einem feindbegünstigenden Hochverräter Geld gegeben. Zwar kam ihm nicht zum Bewußtsein, dass er dadurch half, den Feind des Reiches zu begünstigen. Aber er rechnete damit, dass dieser das Geld benutzen könnte, um unserem Volk seine nationalsozialistische Lebensform zu rauben.

Weil er so einen Hochverrat unterstützt hat, bekommt er zehn Jahre Zuchthaus und hat seine Ehre für zehn Jahre verwirkt.

Heinrich Bollinger und Helmut Bauer haben Kenntnis von hochverräterischen Umtrieben gehabt, das aber nicht angezeigt. Dazu haben sie fremde Rundfunknachrichten über Kriegsereignisse oder Vorkommnisse im Innern Deutschlands zusammen angehört.
Dafür bekommen sie sieben Jahre Zuchthaus und haben ihre Bürgerehre für sieben Jahre verloren.

Hans Hirzel und Franz Müller haben – als unreife Burschen von Staatsfeinden verführt – hochverräterische Flugblattpropaganda gegen den Nationalsozialismus unterstützt. Dafür bekommen sie fünf Jahre Gefängnis.

Heinrich Guter hat von solchen Propagandaabsichten gewusst, das aber nicht angezeigt. Er wird dafür mit achtzehn Monaten Gefängnis bestraft.

Gisela Schertling, Katharina Schüddekopf und Traute Lafrenz haben dasselbe verbrochen. Als Mädchen bekommen sie dafür ein Jahr Gefängnis.

Susanne Hirzel hat hochverräterische Flugblätter verbreiten helfen.

Dass sie hochverräterisch waren, wusste sie zwar nicht; aber nur deshalb, weil sie in unverzeihlicher Gutgläubigkeit sich keine Gewissheit verschafft hat. Sie wird mit sechs Monaten Gefängnis bestraft.

Allen Angeklagten, die Zuchthaus oder Gefängnis bekommen haben, hat der Volksgerichtshof ihre Polizei- und Untersuchungshaft ganz auf ihre Strafe angerechnet.

Falk Harnack hat zwar auch seine Kenntnis von hochverräterischen Umtrieben nicht angezeigt. Aber bei ihm liegen so einmalig besondere Verhältnisse vor, dass man ihn wegen dieser Unterlassung nicht bestrafen kann. Er wird daher freigesprochen.

Gründe

Dieses Urteil muss im Zusammenhang mit dem Urteil, das der Volksgerichtshof vor wenigen Wochen hat fällen müssen, betrachtet werden. Damals waren drei Personen abzuurteilen, die mit den Kern dieser hochverräterischen Unterstützung unserer Kriegsfeinde gebildet haben. Zwei von ihnen, Hans Scholl und Sophie Scholl, waren die Seele der wahrhaft hoch- und landesverräterischen, feindbegünstigenden, unsere Wehrkraft zersetzenden Organisation. Sie stammen aus einer Familie, die selbst volksfeindlich eingestellt war, und in der sie keine Erziehung genossen, die sie zu anständigen Volksgenossen machte. Über ihre Tat und Schuld stellte der Volksgerichtshof damals fest:

(Hier folgt zunächst der volle Wortlaut der Begründung des Urteils gegen Hans Scholl, Sophie Scholl, Christoph Probst.)

Alles, was der Volksgerichtshof in diesem Urteil festgestellt hat, ist auch Ergebnis der Wahrheitsfindung im jetzigen Verfahren. Und beruht, soweit die Angeklagten dieses Verfahrens mit in Frage kommen, auch auf deren Bekundungen, wie überhaupt alles, was in diesem Verfahren festgestellt ist, auf den Aussagen der Angeklagten selbst beruht, soweit nicht im Einzelnen etwas anderes ausdrücklich hervorgehoben ist. Nur in folgenden Punkten hat die neue Hauptverhandlung ein anderes Bild ergeben:

  1. Das Flugblatt »Studenten und Studentinnen« hat Huber verfasst. Scholl und Schmorell haben dies Flugblatt nur etwas geändert und dann herausgebracht;
  2. in Stuttgart hat nicht Sophie Scholl sondern Hans Hirzel die Flugblätter zur Post gegeben. Sophie Scholl hat sie ihm nur nach Ulm gebracht und ihm aufgetragen, sie postfertig zu machen und in Stuttgart in Postkästen zu werfen.
  3. Zu den Auslagen hat Grimminger 50O RM beigetragen.

Diese Unrichtigkeiten im ersten Urteil ergeben sich daraus, dass die damaligen Angeklagten in diesen Punkten die Schuld dreier jetziger Angeklagter (Huber, Hirzel und Grimminger) mit auf sich genommen haben.

Der Volksgerichtshof, der diesmal mit denselben haupt- und ehrenamtlichen Mitgliedern geurteilt wie damals, legt Wert auf die Feststellung, dass sein damaliges Urteil auch bei Kenntnis der wirklichen Sachlage in diesen drei Punkten nicht anders gelautet hätte.

Heute hat der Volksgerichtshof einen weiteren Teil der Kerngruppe dieser Organisation abzuurteilen gehabt:

  1. Schmorell, der ungefähr in gleicher Weise wie Scholl mitwirkte.
  2. Graf, der in fast gleichem Umfang wie Schmorell und Scholl hochverräterisch und feindbegünstigend mitarbeitete. Beide waren von der Wehrmacht zum Medizinstudium abkommandiert. Beide hätten dem Führer besonders dankbar sein müssen, denn er ließ ihnen dieses Studium – wie allen dazu abkommandierten Medizinstudenten – bezahlen; sie bekamen einschließlich Verpflegungsgeld monatlich über 250 RM, ohne dies aber mit Verpflegung in Natur etwa 200 RM, also mehr als die meisten Studenten sonst von zu Hause bekommen. Beide waren Feldwebel, beide in Studentenkompanien eingereiht!
  3. Neben [ihnen] steht heute noch ein Mann, der Erzieher der Jugend sein sollte: der damalige Professor Huber, der sich als Philosoph bezeichnet und dessen Einwirkung auf seine Studenten zwar fachlich gut gewesen sein mag. (Darüber zu urteilen fehlt dem Gericht Anlass und Kenntnis). Aber ein deutscher Hochschulprofessor ist vor allem ein Erzieher unserer Jugend und hat als solcher besonders in Not- und Kampfzeit darauf hinzuwirken, dass unsere Hochschuljugend zu würdigen jüngeren Brüdern der Kämpfer von Langemarck erzogen wird; dass sie in absolutem Vertrauen zu unserem Führer, zu Volk und Reich gekräftigt wird, dass ihre Glieder harte und opferbereite Kämpfer unseres Volkes werden!

Der Angeklagte Huber tat aber genau das Gegenteil! Er stärkte Zweifel anstatt sie zu töten; er führte Reden über Föderalismus und Demokratie mit Mehrparteiensystem als Notwendigkeiten für Deutschland, statt ehernen Nationalsozialismus zu lehren und vorzuleben. In einer Zeit, in der es nicht darauf ankam, Probleme zu wälzen, sondern darauf, das Schwert zu packen, säte er Zweifel in unsere Jugend.

Ein staatsfeindliches Flugblatt der »Widerstandsbewegung« redigierte er mit, ein anderes »Studentinnen und Studenten« verfasste er selbst. Zwar wünschte er dringend, dass ein Satz, den er eingefügt hatte, darin bleibe. In ihm war die Studentenschaft aufgefordert worden, sich ganz der Wehrmacht zur Verfügung zu stellen. Aber dass er diesen Satz eingefügt hatte, kann ihn nicht entschuldigen. Denn die Wehrmacht spielte er hier gegen den Führer und die NSDAP aus, die dies Flugblatt aufs schwerste beschimpfte und zu bekämpfen aufrief!

Dass die mitverurteilten Studenten diesen Satz gegen seinen Willen gestrichen haben, entschuldigt ihn also gar nicht. Wer die deutsche Wehrmacht auffordert, gegen den Nationalsozialismus zu gehen, der will ihr ihre Kraft rauben. Denn diese beruht auf der nationalsozialistischen Weltanschauung unserer Soldaten. Das ist die Grundlage der Unbezwinglichkeit unserer nationalsozialistischen Revolutionsarmeen! Ein solcher »Professor« ist nach den großen Trommlern der Pflicht unter den deutschen Professoren, nach Fichte und Kant, ein Schandfleck der deutschen Wissenschaft, den diese mit Recht vor einigen Tagen im Zusammenhang mit diesem Verfahren ausgemerzt hat: mit Schimpf und Schande wurde er aus Amt und Würden entfernt. Huber sagt weiter, er habe auch geglaubt, etwas Gutes zu tun. Wir fallen aber nicht in den Fehler des Weimarer Zwischenstaates zurück, der Hoch- und Landesverräter als Ehrenmänner ansah und als Überzeugungstäter auf Festungshaft schickte. Die Zeiten, wo jeder mit einem eigenen politischen »GIauben« herumlaufen konnte, sind vorbei! Für uns gibt es nur noch ein Maß, das nationalsozialistische. Danach messen wir alle!

Schmorell faselt, weil seine Mutter Russin war, zu seiner Entschuldigung davon, er sei Halbrusse, er habe Deutsche und Russen irgendwie vereinigen wollen. Zu welch bodenloser Verirrung er dabei gekommen ist, geht daraus hervor, dass er in der Hauptverhandlung einmal sagte, er habe sich vorgenommen, als deutscher Soldat »weder auf Deutsche noch auf Russen zu schießen«!

Die nationalsozialistische Strafrechtspflege will allerdings die Persönlichkeit des Täters erfassen. Auf abwegige, volksfeindliche Einstellungen kann und darf sie aber nicht eingehen. Vor allem der Volksgerichtshof muss dafür sorgen, dass nicht noch einmal im Kriege ein Riss in unser Volk hineinkommt. Schmorell ist deutscher Soldat, hat dem Führer Treue geschworen, konnte sein Studium auf Kosten der Volksgemeinschaft weiterführen; er hat kein Recht zu einem inneren Vorbehalt, Halbrusse zu sein. Wie überhaupt die Moral der reservatio mentalis vor einem deutschen Gericht nicht bestehen kann.

Graf hat wenigstens den Mut gehabt, zum Schluss in der Hauptverhandlung zu erklären, für sein Verbrechen gebe es keine Entschuldigung. Seine Tat ist aber so schlimm, dass diese allzu späte Einsicht das Urteil nicht ändern kann.

Im einzelnen haben diese drei Angeklagten vor allem folgendes getan:

  1. Schmorell beriet (von den Flugblättern der »Weißen Rose« und dem Flugblattentwurf des »Probst« die in diesem Verfahren kaum eine Rolle spielen, abgesehen) alles mit Scholl zusammen. Er beteiligte sich am Entschluss, Flugblätter zu verfassen und zu verbreiten, arbeitete bei deren Herstellung aktiv mit, besorgte teilweise das dazu nötige Material, kannte und billigte deren Inhalt, besonders den der »Widerstandsbewegung« und den der Hetzschrift »Studentinnen und Studenten«, nahm an deren Verbreitung außerhalb Münchens teil, fuhr dazu selbst nach Salzburg, Linz und Wien und steckte dort die Flugblätter für diese Städte und Frankfurt a.M. in Postkästen, beteiligte sich bei den nächtlichen Streu- und Schmieraktionen und beim Verbreiten von Flugblättern mit der Post in München, nahm an einem Abschiedsabend für ihn und Graf im Atelier Eickemeyer (als sie im Sommer 1942 zum
    Fronteinsatz abfuhren) teil und auch an sonstigen Zusammenkünften mit Huber und Studentinnen, in denen politisch im Sinne ihrer volksverräterischen Gedanken und Pläne diskutiert wurde. Auch fuhr er mit Scholl zu Grimminger, um dort Geld locker zu machen; und ebenfalls mit Scholl zu Propagandazwecken zu Harnack.
  2. Von Graf ist dasselbe festzustellen wie von Schmorell, nur, dass er an den Fahrten nach außerhalb nicht beteiligt war und auch nicht Material zur technischen Flugblattherstellung beschafft hat. Dafür machte er eine informations- und Propagandafahrt, die ihn u.a. zu Bollinger führte, den er zu werben suchte.
  3. Huber wusste vom Treiben Scholls, der ihm seine Gedanken, Pläne und Handlungen gesagt hatte, nahm an den Zusammenkünften teil, redigierte das Flugblatt »an alle Deutschen« der Widerstandsbewegung, lieferte selbst den Entwurf zum Flugblatt »Studentinnen und Studenten«, gab bei den Zusammenkünften seine »poIitischen« Gedanken im Sinne der Notwendigkeit des Föderalismus der angeblich »süddeutschen Demokratie« gegenüber dem angeblich preußisch-bolschewistischen Flügel des Nationalsozialismus kund, bestärkte also die Studenten in ihrer Volks- und Staatsfeindlichkeit. In welchem Geist er das tat, dafür zeugt unwiderleglich sein Flugblattentwurf. An seiner Gesinnung und seinen Werken ändert auch nichts, dass er, wie er sagt, nachdem sein Satz über Studententum und Wehrmacht gestrichen war, (vergeblich) den Entwurf hat anhalten wollen. Denn wäre das Flugblatt, so wie er es verfasst hatte, herausgekommen, so wäre sein Verhalten genauso zu verurteilen.

Wer als Professor oder Student so den Führer beschimpft, gehört nicht mehr zu uns. Wer so den Nationalsozialismus begeifert, hat keinen Platz mehr zwischen uns. Wer so mit seinen hochverräterischen Ausgeburten eines volksfeindlichen Gehirns im Kriege unsere Geschlossenheit und Kampfentschlossenheit aufspaltet, der nagt an unserer Wehrkraft; er hilft dem Feind in diesem Krieg (§ 91b StGB.). Männer wie Huber, Schmorell und Graf wissen das auch.

Wer so handelt, hat den Tod verdient. Solches Verhalten können auch nicht Verdienste (auf solche weist Huber hin) wettmachen.

Dieser ersten Gruppe von Verurteilten, die mit den Geschwistern Scholl und Probst, den der Volksgerichtshof ebenfalls in seinem ersten Urteil bestraft hat, den Kern der Dolchstoß—Organisation der „Widerstandsbewegung“ bilden, steht nach der Bedeutung seiner Tätigkeit der Angeklagte Grimminger am nächsten. Ihn besuchten in Stuttgart Scholl und Schmorell, erzählten von ihren volksfeindlichen Agitationen, Plänen des Flugblattvertriebes oder der Bereisung von Universitäten, um Gleichgesinnte zu finden und davon, das sie dafür Geld von ihm haben wollten. Er antwortete ausweichend, sagte aber dabei Scholl, er solle doch nach einigen Wochen noch einmal kommen. Das tat Scholl. Und nun gab ihm Grimminger 500,-RM! Den Eindruck, dass er sich dabei bewusst geworden wäre, mit diesem Geld über die Unterwühlung der Einigkeit der Heimat hinaus zugleich auch unsere Front und unsere Kriegskraft zu schwächen, und dadurch unseren Kriegsfeinden zu helfen, hat er freilich nicht gemacht. Aber auch als schwerer Fall von Hochverrat wäre dieser Fall anders bestraft worden, wenn nicht zum Schluss in der Hauptverhandlung – noch nach dem Strafantrag des Oberreichsanwalts – erwiesen worden wäre (Zeugin Hahn), dass er für seine Angestellten, die Soldaten sind, besonders viel tut; einem von ihnen, der schwerverletzt ist, sogar das Studium ermöglichen will.

Das alles ließ dem Gericht seine Versicherung glaubhaft erscheinen, dass er nicht daran gedacht hat, den Feind des Reiches zu begünstigen. Und lässt seine Persönlichkeit in etwas besserem Lichte erscheinen. Deshalb hat der Volksgerichtshof seine Tat (§ 83 StGB.) als mit zehn Jahren Zuchthaus gesühnt angesehen, wodurch auch die Sicherheit des Reiches ihm gegenüber voll gewährleistet wird.

Die nächste Gruppe der Angeklagten hat trotz Kenntnis des volksfeindlich-hochverräterischen Unternehmens keine Anzeige erstattet und außerdem ihr Ohr dem Feinde geliehen. Das sind Bollinger und Bauer. Bollinger war aus einer katholischen Jugendorganisation »Das neue Deutschland« (im Saargebiet vor dessen Heimkehr ins Reich) mit Graf bekannt. Diesem Bund gehörte übrigens auch Scholl an, den Bollinger ebenfalls daher kannte. Als Graf sich auf Anraten von Scholl entschloss, eine Reise ins Rheinland auch dazu zu benutzen, um in Universitätsstädten Bonn und Freiburg – bei Bekannten die Stimmung zu sondieren und für ihre volksfeindlichen Pläne zu werben, wollte er in Freiburg auch Bollinger sprechen, erfuhr aber, dass dieser nach Ulm gefahren war. Dort meldete er sich bei ihm und besuchte mit ihm zusammen dessen dortigen Bekannten. Bei diesem sprachen sie nichts Politisches. Spät abends aber, als Bollinger den Graf wieder zum Bahnhof begleitete, erzählte er ihm von den Gedanken und Plänen des Kreises Scholl in München. Seine Werbungsversuche waren erfolglos. Wohl aber ließ er ihm ein Flugblatt zurück. Das zeigte bald darauf Bollinger seinem Freunde, dem Mitangeklagten Bauer, übrigens auch einem Bekannten aus dem »neuen Deutschland«! Nicht um zu werben, sondern um ihm das Gespräch mit Graf zu erzählen. Bollinger und Bauer waren sich in der Ablehnung des Flugblattes und der ganzen Scholl‘schen Aktion einig.

Um der Sicherung des Reiches willen muss ein Urteil wie dieses zeigen, dass, wer als reifer Mann mit Hochschulbildung, wie diese beiden, so etwas nicht anzeigt, ins Zuchthaus wandert. Die Polizei kann nicht überall sein. Die Volksgemeinschaft ist darauf angewiesen, dass jeder, der ein anständiger Deutscher sein will, wenn er von so etwas erfährt, die Partei, den Staat und die Behörden unterstützt und solche hochverräterischen Unternehmungen meldet. Bei diesen beiden ist auch ihr Ungehorsam gegenüber dem Führer zu bestrafen: Weil sie, obwohl sie wussten, dass es der Führer verboten hat, ausländische Sender über militärische und innerpolitische Vorkommnisse abhörten. Sie taten das nämlich mehrmals über Wochenende gemeinsam auf einer Skihütte. Sie versuchen dies damit zu entschuldigen, sie hätten sich nur über angebliche Studentenunruhen in München unterrichten wollen.

Eine dummdreiste Ausrede! Darüber unterrichtet man sich als ordentlicher Deutscher nicht im Radio Beromünster und London!

Den schweren Fall der Nichtanzeige des Hochverrates (§ 139 StGB.) und das Abhören der Auslandsender (§ 1 der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen) hat der Volksgerichtshof bei jedem mit sieben Jahren Zuchthaus bestraft. Beide baten zwar, ihnen ihre Berufsmöglichkeiten nicht zu zerstören. Daran hätten sie aber vorher denken sollen!

Huber, Schmorell und Graf haben als Volksverräter, die im Kriege dem Feind geholfen und unsere Wehrkraft zersetzt haben, treulos gehandelt und der deutschen Jugend, – besonders der Jugend von Langemarck – Schande gemacht. Sie haben durch ihren Verrat ihre Ehre für immer verloren. Ihre Ehre haben durch ihre Treulosigkeit auch Grimminger, Bollinger und Bauer verwirkt; wie der Volksgerichtshof feststellt, auf eine ihrem Strafmaß gleiche Zeitspanne.

Die dritte Gruppe der heutigen Angeklagten sind dumme Jungen und dumme Mädels, durch die die Sicherheit des Reiches nicht ernstlich gefährdet ist.

An der Spitze stehen hier die Schüler und Klassenkameraden Hans Hirzel und Franz Müller. Hirzel unterhielt sich, wenn Scholl in Ulm auf Urlaub war, öfter mit diesem. Scholl hat, wie der Volksgerichtshof aus eigener Wahrnehmung weiß, einen stark suggestiven, durch Nur-Intellektualität noch gesteigerten Einfluss, erst recht auf einen so unreifen Wirrkopf wie Hirzel, ausgeübt. Scholl bearbeitete Hirzel in seinem Sinne. Er riet ihm, sich politisch weiterzubilden, damit er beim Zusammenbruch Deutschlands als Redner im Sinne der SchoII’schen föderaIistisch-individualistischen Mehrparteiendemokratie wirken könne! . . .

Dem Volksgerichtshof fällt auf, dass aus einer Schulklasse drei Schüler (auch Heinrich Guter) in dieser Sache erscheinen und noch weitere erwähnt wurden! Da muss etwas nicht stimmen, was am Geiste dieser Klasse liegt und was der Senat nicht allein diesen Jungen zur Last legen kann. Man schämt sich, dass es eine solche Klasse eines deutschen humanistischen Gymnasiums gibt! Den Gründen hierfür im einzelnen nachzugehen, ist aber nicht Aufgabe des Volksgerichtshofes . . .

Die Angeklagten, die verurteilt sind, müssen auch die Kosten dieses Strafverfahrens tragen.

Nur besondere Kosten gegen Harnack trägt die Reichskasse, weil dieser freigesprochen ist.

gez. Dr. Freisler, Stier.

 

Quelle: http://opinioiuris.de/entscheidung/1604

 

 

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